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Offener Brief zur Entwicklung der Salzach

 

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Söder,

die Salzach ist zwar Grenzfluss zwischen Österreich und Bayern, aber doch ist sie ein bayerisches Original: Ebenso wie Iller, Lech, Isar und Inn verkörpert sie einen großen Alpenfluss, der die Alpen mit der Donauregion verbindet. In dieser Riege unserer großen Alpenflüsse sowie aller bayerischen Flüsse ist sie jedoch einzigartig. Sie fließt nämlich von Salzburg ohne Stauhaltungen frei bis zu ihrer Mündung. Dabei kommt eine freie Fließstrecke von 60 Kilometer zusammen – gemeinsam mit dem Donauabschnitt zwischen Straubing und Vilshofen ist dies bayerischer Spitzenwert.

Wie der Wasserlauf selbst so sind auch die Auwälder kaum unterbrochen und bilden ein 125 Kilometer langes Band entlang der Salzach und weiter am Inn bis Passau. Für den bayerischen Naturhaushalt ist es als Wanderkorridor und vielfältiger Lebens- und Rückzugsraum für mittlerweile seltene und gefährdete Arten von unschätzbarem Wert [1]. Diese Vielfalt ist das Ergebnis von Prozessen, die über Jahrtausende in dem ehemals weitverzweigten Flusssystem ablaufen konnten. Zu Recht genießt diese Biotopverbundachse den höchsten Schutz nach europäischem Naturschutzrecht. Als Erben dieser „Bibliothek der Natur“ haben wir eine Verantwortung für ihren Erhalt.

Im 19. Jahrhundert wurde der Fluss im Zuge der „Salzachkorrektion“ eingedeicht. Diese erreichte die ehemals geplante Eintiefung der Salzach. Jedoch führte sie auch zu den Herausforderungen, welche die Wasserwirtschaft und den Naturschutz heute beschäftigen. Dazu gehört vor allem der sinkende Grundwasserstand in der Umgebung, die weitere Eintiefung der Salzach in weiche Bodenschichten und die „Entkoppelung“ der Aue, welche heute mehrere Meter über dem mittleren Wasserstand liegt.

Lösungen für diese Herausforderungen liegen vor. So weitet sowohl die bayerische als auch die österreichische Wasserwirtschaftsverwaltung seit mehreren Jahren erfolgreich die Ufer der Salzach auf. Das Ziel ist die eigendynamische Entwicklung der Salzach in einem definierten Bereich und eine stabile Flusssohle. Berechnungen im Auftrag der Wasserwirtschaftsverwaltung belegen, dass die Maßnahmen bei konsequenter Umsetzung erfolgversprechend sind. Belegt ist dabei auch, dass ein Querbauwerk nicht notwendig ist [2].

Die Unterzeichner dieses offenen Briefes und die Mitgliedsverbände der „Aktionsgemeinschaft Lebensraum Salzach“ (ALS) rufen Sie daher auf, von den aktuellen Plänen zum Bau eines Wasserkraftwerkes an der Salzach abzusehen. Das dafür notwendige Querbauwerk würde die Salzach über mehr als einen Kilometer anstauen. Dadurch werden die Lebensräume für Wasserorganismen geschädigt. Es ist gut belegt, dass Stauhaltungen besonders stark zum Rückgang der Fische in Bayern beitragen [3]. Dies liegt vor allem an der Verstopfung der Gewässersohle mit Feinsediment. Darüber hinaus würde das Querbauwerk die eigendynamische Entwicklung im Bereich des Bauwerkes verhindern da hier der Gewässerlauf fixiert ist. Aber auch flussabwärts würden die eigendynamischen Prozesse im Fluss behindert. Die hierfür nötige Energie des strömenden Wassers würde nämlich am Kraftwerk in elektrische Energie umgewandelt, weshalb sie dem Fluss weiter unterhalb nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung steht.

Des Weiteren ist belegt, dass sowohl an konventionellen wie auch innovativen Wasserkraftturbinen in Bayern Fische in hohen Raten getötet werden [4]. Bei dem an der Salzach geplanten Wasserkraftwerk soll ein sogenannter hybrider Rechen die Fische davor bewahren in die Turbinen zu geraten. Diese Technik wurde jedoch noch nicht unter Realbedingungen auf ihre Effektivität hin untersucht. Wir halten es für nicht verantwortbar, an einem derart schutzbedürftigen und einzigartigen Fluss wie der Salzach diese Technik einzusetzen und so möglicherweise über Jahrzehnte hinweg die Fischpopulationen zu schädigen. Indes sind wir offen für die testweise Anwendung der Technologie, zum Beispiel an bereits bestehenden Anlagen die erneuert werden sollen. Keinesfalls sollte hierfür die Salzach missbraucht werden.

Aus unserer Sicht ist zudem der Wert der frei fließenden und sich eigendynamisch entwickelnden Salzach vor dem Hintergrund der Biodiversitätskrise höher zu werten als der Beitrag des geplanten Kraftwerkes zur Energieversorgung. Laut der VERBUND AG könnten durch das Kraftwerk maximal 35 GWh Energie pro Jahr bereitgestellt werden. Diese Menge entspricht etwa der Energiebereitstellung von zwei bis drei Windrädern an einem geeigneten Standort. Vor diesem Hintergrund erscheint uns das immer wieder - auch von Ihnen in der jüngsten Regierungserklärung - vorgebrachte Argument, dieses Kraftwerk wäre ein wichtiger Beitrag zur Energiewende, nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass mit der Modernisierung vorhandener Wasserkraftanlagen wesentlich mehr Energie gewonnen werden kann, als mit dem angedachten Projekt in der Salzach (Beispiel Kraftwerk Töging am Inn: 140 GWh pro Jahr). Die eingestellten Zuschüsse der Staatsregierung von 20 Millionen Euro zur Nutzung des Wasserkraftpotentials an der Salzach [5] könnten hier deutlich effizienter eingesetzt werden. Dies wiegt besonders schwer, da bekannt ist, dass von österreichischer Seite keine staatlichen Zuschüsse kommen werden.
Wir hoffen auf Ihre offene Haltung gegenüber den vorgebrachten Argumenten. Auch möchten wir in einen konstruktiven Austausch treten, um gemeinsam mit der bayerischen Staatsregierung und der Wasserwirtschaftsverwaltung an einer nachhaltigen Entwicklung der Salzach zu arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen
Die Sprecher der Aktionsgemeinschaft Lebensraum Salzach
Erich Prechtl
Dr. Hannes Augustin
Gerhard Auer
Dr. Jakob Wagner


Quellen
[1] Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein, „Europäisches Naturerbe Natura 2000 - Informationen zum Entwurf des Managementplans FFH-Gebiet 7744-371 „Salzach und Unterer Inn“, Traunstein, 2015.
[2] M. Hengl, D. Skublics, M. Aufleger und M. Spannring, „Kurzbericht: Untersuchungen zur Geschiebemorphologie im Tittmoninger Becken“, 2021.
[3] M. Müller, A. M. Bierschenk, B. M. Bierschenk, J. Pander und J. Geist, „Effects of multiple stressors on the distribution of fish communities in 203 headwater streams of Rhine, Elbe and Danube“, Science of the Total Environment, Bd. 703, Nr. 134523, 2020.
[4] J. Knott, M. Müller, J. Pander und J. Geist, „Fischökologisches Monitoring an innovativen Wasserkraftanlagen - Zusammenfassung zum Abschlussbericht 2022 - Band 12: Gesamtbewertung“, Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg, 2022.
[5] Bayerische Staatsregierung, „bayern.de,“ Dezember 2022. [Online]. Hier verfügbar: www.bayern.de/bericht-aus-der-kabinettssitzung-vom-13-dezember-2022/. [Zugriff am 23. 11. 2023].

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